Josè Cortijo Vorbereitungen Online Musik Unterricht

Braucht Online Musikunterricht mehr Vorbereitung als Präsenzunterricht?

Immer wieder erzählen mir Kolleg:innen von schlechten Erfahrungen im Online Musikunterricht. Sicher vermutest du, dass die technischen Aspekte hier die Hauptgründe sind, aber so ist es nicht! Meist geht es um die Vermittlung des konkreten Unterrichtsinhalts.

Musikunterricht online und in Präsenz funktioniert durchaus verschieden. Da müssen schon ein paar Anpassungen her. Machen wir uns nichts vor: Online Musikunterricht braucht eine andere Vorbereitung als Präsenzunterricht.

Mit der Zeit kann man aber Mehrarbeit minimieren. In diesem Blogbeitrag möchte ich dir zeigen, wie du dich gut und effizient auf den Online Musikunterricht vorbereitest und dein Zeitmanagement optimieren kannst.

Improvisierter Online Musikunterricht kostet meistens wichtige Zeit

Es gibt Lehrkräfte, die akribisch jede Unterrichtseinheit Woche für Woche vorbereiten. Für jede:n Schüler:in wird ein individueller Unterrichtsplan erstellt, Bücher, Noten und Musik ausgesucht. Der Unterricht wird nicht nur vorbereitet, sondern genauso akribisch nachbereitet. Sie schreiben Notizen über Ablauf, Ergebnisse und Schwierigkeiten, um so dann die nächste Stunde gezielter vorbereiten zu können.

Andere Lehrer:innen wiederum unterrichten grundsätzlich „nach Buch“ und setzen kein oder kaum eigenes Material ein. Sie haben gelernt, dass sich einige Bücher bewährt haben und deshalb werden ausschließlich diese benutzt. Anmerkungen zum Unterricht notieren sie direkt in das Buch der Schüler:innen. Ist das Buch abgearbeitet, wird das nächste Buch angefangen.

Selbstverständlich hat die Art und Weise des Unterrichts auch mit Alter sowie Niveau der Schüler:innen zu tun.
Ich höre auch häufig von Kolleg:innen, die ohne Konzept, Unterrichtsplan oder ähnliches Stunde für Stunde spontan gestalten. Mit erfahreneren Schüler:innen kann man das bestimmt machen. Diese sind in der Lage ihre Bedürfnisse zu kommunizieren. Gerade bei Anfänger:innen ist das etwas schwieriger. Will man als Lehrer:in spontan auf seine Schüler:innen eingehen, so muss man etwa sein Unterrichtsmaterial immer griffbereit haben. Sonst geht wertvolle Zeit für die Suche nach Material verloren.

Besonders im Online Musikunterricht kann das zu erheblichen Verzögerungen führen. Ein Beispiel: Im schlimmsten Fall muss ein Notenblatt erst gescannt, dann hochgeladen und von den Schüler:innen wieder runtergeladen und abgelegt werden. Das kostet einfach wertvolle Unterrichtszeit.

Spontanes Umdisponieren ist im Online-Musikunterricht etwas schwieriger

Im Präsenzunterricht kann man auch ohne große Unterrichtsvorbereitung meist relativ leicht umdisponieren. Hier gibt es nur wenige äußere Faktoren, die den Ablauf des Unterrichts beeinflussen können. Man kann sich schnell eine Übung aus den Fingern zaubern. Manchmal müssen dazu nicht mal Noten oder anderes Material hinzugezogen werden. Schüler:innen und Lehrer:innen spielen z.B. gemeinsam eine Improvisation. Die Lehrkraft begleitet dann den Lernenden vielleicht sogar einfach am Klavier oder man spielt gemeinsam zu einem Play-along und wechselt sich ab.

Im Online-Musikunterricht können wir leider noch nicht zusammenspielen. Gemeinsame Improvisationen fallen also als spontane Möglichkeit weg. Ein Play-along muss im schlimmsten Fall erst erstellt, mindestens aber für die Unterrichtseinheit bereitgestellt werden.

Nicht falsch verstehen, ich finde es wichtig im Unterricht auch mal geplante Pfade zu verlassen. Genau diese Flexibilität zeichnet am Ende ja auch gute Lehrer:innen aus. Wenn man aber seine Studierenden über vier Jahre im Bachelor und zwei im Master Woche für Woche nur mit einem spontanen Unterrichtskonzept begleitet, kann das meiner Meinung nach ziemlich nach hinten los gehen. So kann man sich als Lehrerende:r durchaus seine Schüler:innen vergraulen und verliert sie womöglich.

Je mehr Gedanken sich Lehrende im Voraus über die Stunde, die benötigten Ressourcen und die Übungen machen, desto weniger spontane Entscheidungen muss man während des Unterrichts treffen.

Im Online Musikunterricht fliegt der Lehrkraft schlechte Vorbereitung leider doppelt und dreifach um die Ohren.

Organisation

Dass eine gute Organisation bei der Arbeit wichtig ist, sollte klar sein. Durch de Einstieg in den digitalen Musikunterricht ergeben sich mit großer Wahrscheinlichkeit für viele Lehrer:innen teilweise Änderungen in den Unterrichtsvorbereitungen und Abläufen. Viele Lehrer:innen müssen ihre Komfortzone beim Online Musikunterricht zunächst verlassen.

Selbstverständlich muss jede:r für sich selbst entscheiden, inwieweit er oder sie in die digitale Unterrichtswelt einsteigen möchte. Spätestens seit der Pandemie sollten aber viele verstanden haben, dass es sich durchaus lohnen kann, ein Minimum an Kenntnissen zu haben.

Online oder digitaler Musikunterricht sind längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern finden schon heute statt. Und solange unsere Welt insgesamt digitaler wird, wird auch der Musikunterricht nicht davon ausgenommen sein.

Digitalisierung im Musikunterricht

Für den Online Musikunterricht sind analoge Unterrichtsmaterialien eher ungeeignet. Keiner möchte Notenblätter in die Kamera halten, oder? Die Konsequenz: ein Wechsel von analogen zu digitalen Unterrichtsmaterialien ist notwendig. Angebote gibt es durchaus, sie sind allerdings noch ausbaufähig. Einige Verlage bieten ihre Werke in beiden Formen an. Bei manchen Verlagen erhält man zusammen mit der gedruckten Ausgabe zusätzlich einen Downloadlink für die digitale Version.

Digitale Unterrichtsmaterialien sind übrigens auch über den Online Musikunterricht hinaus sehr praktisch. Besucht man etwa Seminare oder Workshops im Ausland, spart man eine Menge Gepäck ein. Ein Laptop ist eben doch kompakter als etliche Notenbücher. Aber das nur am Rande.

Was aber, wenn es keine Digitalausgabe des Buchs gibt, das ich unbedingt für meinen Unterricht benötige?

Ich selbst habe mein gesamtes Unterrichtsmaterial inzwischen digitalisiert! Dafür habe ich zugegeben ein bisschen investiert, aber ich bin unglaublich froh, dass ich mich zu diesem radikalen Schritt entschieden habe.

Ich habe in drei kleine Apparate investiert: Eine Schneidemaschine, ein Dokumentenscanner und eine Bindemaschine (Ringbuch). Ich denke du ahnst schon, worauf das hier hinaus läuft.

Neue Notenbücher trenne ich mit der Schneidemaschine auf und löse so die Bindung des Buches. Die Einzelseiten lege ich nun in den Dokumentenscanner, der automatisch alle Seiten scannt und ein PDF erstellt. Anschließend binde ich die Seiten mit einer Ringbindung wieder zusammen und stelle das Notenbuch ins Regal zu den anderen Büchern.

Ja, das klingt etwas brutal. Aber ich sehe das ehrlich gesagt sehr pragmatisch: Jedes Notenbuch ist letztlich Arbeitsmaterial für mich. Wie ein Maler für seine Arbeit einen Pinsel braucht, brauche ich eben Noten. Kennst du einen Maler, der jedem Pinsel hinterher trauert, wenn etwas Farbe an den Griff kommt? Ich auch nicht!

Außerdem werden die Notenbücher ohnehin auch mit Notizen versehen und sehen mit der Zeit eher mitgenommen aus. Manche drohen sogar auseinander zu fallen. Umso wichtiger ist es hier eigentlich, eine digitale Kopie zu haben.

Wer übrigens nicht selbst in einen Dokumentenscanner investieren möchte, kann in den nächsten Copy-Shop gehen. Hier gibt es oft das Angebot, Papierunterlagen zu digitalisieren. Aber natürlich kostet auch das, meist etwa 0,3 € pro Seite. Notenbücher haben eine überschaubare Anzahl an Seiten, da kann sich so ein Service durchaus lohnen.

Für Einzelseiten gibt es inzwischen leistungsstarke Scan-Apps für das eigene Smartphone. Diese sind in der Lage, über die Kamera ein Blatt bzw. Dokument zu erkennen und entsprechend auch zu entzerren. So erhält man ein PDF wie aus dem Scanner. Schreibt man selbst ein paar Noten auf ein Blatt Papier, ist das eine einfache und schnelle Möglichkeit der Digitalisierung.

Bei der Nutzung von am Computer selbstgeschriebenen Unterrichtsmaterialien ist die Sache selbstverständlich leichter. Programme wie FINALE, Sibelius, Word oder Pages sind in der Lage, PDFs zu erzeugen.

TIPP: Wenn du viel mit eigenem Material unterrichtest, kannst du dir ein eigenes E-Book erstellen. Das ist gar nicht so kompliziert. Kombiniere einfach deine digitalen Noten mit Anleitungen, die du recht einfach über Programme wie Word und Pages erstellen kannst. Und schon hast du deine eigene Instrumentenschule sowohl für den Online- als auch den Präsenzunterricht.

Nichts ist so kontraproduktiv wie Chaos auf dem Rechner!

Eigentlich kann ein Computer leichte bis komplizierte Aufgaben für uns User:innen übernehmen. Auch die Suche nach Informationen, Dokumenten, Noten, Musik, etc. kann mit dem Computer wirklich schnell erledigt werden. 

Nichtsdestotrotz kann es passieren, dass man durch die Menge an Daten auf Festplatten, Clouddiensten und sonstigen Datenträgern den Überblick verliert. Der Computer oder das Tablet wird irgendwann eher zum Feind statt zum Helfer. Man findet einfach nichts mehr wieder.

Für den Online- bzw. Digital-Unterricht ist es umso wichtiger eine gute Struktur für seine Daten zu haben, um keine wertvolle Unterrichtszeit im Festplattenchaos zu verlieren.

Die doozzoo Medienbibliothek für den Online Musikunterricht

Eine wertvolle Hilfe, um den Unterricht vorzubereiten sowie den Überblick über die Unterrichtsmaterialien zu behalten, bietet die doozzoo Medienbibliothek. 

In dieser Cloud-basierten Mediathek kannst du Ordner für die verschiedenen Unterrichtsmaterialien anlegen und deine Daten per drag & drop hochladen. Das können Audiofilles sein, Videos, PDFs, Textdokumente und mehr.

Um im Unterricht keine unnötige Zeit zu verlieren, ist es durchaus sinnvoll, das benötigte Material vor dem Unterricht in die Medienbibliothek zu laden. So hast du immer alles griffbereit

Meine Top 4 Tipps für eine bessere Datenstruktur:

  • Einen Ordner mit entsprechenden Unterordnern auf den Rechner anlegen, in dem du alle Unterrichtsmaterialien sammelst.
    • Mögliche Kategorien zur Sortierung: Genre, Schwierigkeitsstufe, Verlag/Autor, Instrument
  • Wähle eindeutige Namen für Ordner und Dateien. Damit findest du alles schneller wieder.
  • Bleibe konsistent: Benenne deine Ordner in der doozzoo Medienbibliothek genauso, dann behältst du leichter den Überblick.
  • Erstelle dir von Zeit zu Zeit ein Backup von deiner großen Notensammlung oder lade einfach alles in die Medienbibliothek. (wird von doozzoo immer gesichert)

Wer seine Technik im Griff hat, spart wertvolle Unterrichtszeit!

Natürlich gibt es in Sachen Technik ein paar Dinge, die man sich bewusst machen sollte. So wird keine wertvolle Unterrichtszeit verschwendet. Deshalb möchte ich natürlich auch hierauf kurz eingehen.

Technische Vorbereitung bei neuen Online Schüler:innen

Ich habe festgestellt, dass es sich lohnt, seine Schüler:innen im Vorfeld zu fragen, welches Equipment sie nutzen werden. Dann kann man hier nämlich schon Einfluss nehmen. Viele meiner Online Schüler:innen sind sogar bereit, in extra Equipment zu investieren und fragen mich nach Vorschlägen. Ich leite ihnen dann gerne dieses Blogbeitrag weiter. Hier sind verschiedene Szenarien und Budgets abgebildet. 

Diese Faktoren frage ich bei neuen Schüler:innen immer ab:

  • Wird ein Computer, Laptop, Tablet oder Smartphone benutzt? 
  • Ist ein externes Mikrofon vorhanden? 
  • Kann ein Kopfhörer benutzt werden?
  • Welches Betriebssystem? Mac, Windows, iOS, Android?
  • Sind Betriebssystem, notwendige Software und Browser Versionen aktuell?
  • Welcher Browser wird benutzt?
  • Welche Internetverbindung wird benutzt, LAN-Kabel oder W-LAN?

Probelauf mit neuen Schüler:innen

Abhängig von Alter und Internet-Kompetenz empfehle ich einen kurzen Probelauf mit den Schüler:innen. Ich habe mir sogar eine kurze PDF Anleitung erstellt, die meinen Schüler:innen helfen soll. 

Vor der ersten Unterrichtseinheit achte ich besonders darauf, dass auch bei mir Kameraposition und Lautstärke bestmöglich eingestellt sind. So ist der erste Eindruck gesichert! Mit den neuen Schüler:innen gehe ich anschließend ihr Setup und ihre Aufstellung durch. Manchmal reichen schon ein paar kleine Handgriffe aus, um das Gesamtergebnis zu verbessern.

Ich notiere mir zu allen Schüler:innen das eingesetzte Setup. Zum einen sammelt man mit der Zeit so seine Erfahrungen und kann Fragen einfacher beantworten. Zum Anderen kann ich aber auch z.B. dem doozzoo Team gezielt zu einem Setup Fragen stellen. Selbst wenn ein Problem gar nichts mit doozzoo zu tun hat, versucht das Support Team mir bestmöglich zu helfen.

Auch bei wechselnden Set-Ups kann das sehr hilfreich sein. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Lehrer:in oder Schüler:in im Urlaub oder auf Tour sind.

Weniger ist mehr

Ich empfehle Qualität statt Quantität für jede Unterrichtsstunde, egal ob in Präsenz oder online. Im digitalen Raum macht das sogar erst recht Sinn. Durch das Arbeiten am Bildschirm mit Kopfhörern wird ein bisschen mehr Konzentration von den Teilnehmer:innen abverlangt als in Präsenz. Ich beschränke mich z.B. auf weniger Übungen, dafür werden diese intensiver gemacht oder in ihrer Komplexität erhöht.

Ich lasse mir im Online Musikunterricht auch zeitlich immer ein kleines bisschen Puffer. Letztlich kann es immer zu unerwarteten Verzögerungen kommen. Manchmal sind es banale Sachen, wie etwa ein leerer Maus-Akku, aber auch diese führen zu Verzögerungen. Daher macht es durchaus Sinn, für solche unerwarteten Situationen ein bisschen zeitlichen Spielraum einzubauen.

Ich hoffe, du konntest in meinem Beitrag lernen, wie wichtig es ist, dass du deinen Online Musikunterricht vorbereitest. Ich habe mir übrigens alles bis hier hin selbst erarbeitet. Das war gar nicht so schwer wie ich es angenommen hatte. Am Ende profitieren nicht nur die Schüler:innen von gutem Unterricht, sondern natürlich auch man selbst, denn man behält viel besser die Kontrolle über alles. Wenn du meine Tipps beachtest, sollte deinem Unterricht nichts mehr im Weg stehen.

Über den Autor

José J. Cortijo

Als einziger Professor für Latin Percussion in Deutschland unterrichtet José J. Cortijo an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim und ist ein gefragter Dozent bei zahlreichen Workshops im In- und Ausland.

Außerdem ist er Autor verschiedener Publikationen und einer Workshop-Reihe in der Fachzeitschrift Drums & Percussion, künstlerischer Leiter der World Percussion Academy und der Cajon Academy.

Neben Auftritten mit eigenen Projekten nimmt José J. Cortijo auch an vielen Tourneen namhafter Künstler aus dem In- und Ausland teil. Das Spektrum reicht von Latin, Funk, Pop, Rock bis hin zu Big Bands und Musicals.

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