Der deutsche Schlagzeuger und Percussionist Stephan Emig war ein weiterer spannender Gesprächspartner. Seine langjährige Erfahrung als Musiker für u.a. Stefanie Heinzmann, The Voice of Germany, Gregor Meyle und als Lehrbeauftragter am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück haben ihn zum perfekten Gast gemacht zum Thema Online-Unterricht. In kürzester Zeit musste auch Stephan 2020 seinen Unterricht umstellen. Seine Erfahrungen und viele wertvolle Tipps hat er im Interview geteilt.
Welche Vorteile hast du durch den Online-Schlagzeugunterricht erlebt?
Stephan: “Es gab tatsächlich nach diesen ersten gefühlsmäßigen Neuerungen […] ein paar Vorteile. Also grad beim Schlagzeug ist mir das sofort aufgefallen, weil ich meine Schüler an ihrem Instrument unterrichtet habe. Das ist im Schlagzeugunterricht total selten.
Wenn man Gitarrenunterricht macht, dann kommt man mit der Gitarre zum Lehrer,[…], aber weil das Schlagzeug so flexibel ist im Aufbau, war das total cool, meine Schüler mal an ihren eigenen Instrumenten zu sehen.
Und die ersten […] Unterrichtsstunden bei ganz vielen Leuten gingen nur um Aufbau, Sitzposition, Atmung, Körperhaltung und so, also Dinge, die was damit zu tun haben, dass sie an ihrem eigenen Instrument sind und nicht bei mir im Unterrichtsraum. Und das fand ich total cool. Das hat mir sehr gefallen, dass ich da einen Einblick hatte, den ich ohne Online-Unterricht nie bekommen hätte.”
Wie hast du Gruppenunterricht online erlebt?
Stephan: “Und wenn man [in Präsenz] in der Gruppe in einem Raum unterrichtet, hat man so ein Klassenraum-Phänomen, dass sich manche Leute in die letzte Reihe setzen; oder man hat ein oder zwei Schüler, die sich immer melden und dann quasi den Unterricht voranbringen, während die anderen so ein bisschen mitschwimmen.
Beim Online-Unterricht hat man alle auf der gleichen Ebene vor sich auf dem Bildschirm. Und ich habe so das Gefühl, dass die Bereitschaft mitzuarbeiten, dadurch etwas stärker war – vielleicht auch mit dem Wissen, dass jeder mal drankommt oder dass zum Beispiel Hausaufgaben in Videoform vorbereitet werden sollten.
Ich hatte das Gefühl, gerade im Gruppenunterricht, dass man sich nicht so durchmogeln konnte, sondern dass die Schüler da mehr dazu gezwungen waren, mitzumachen. Das fand ich eigentlich ganz cool. Ich habe das Gefühl, dass diese Labs [Name der Workshops von Stephan] eine gute Intensität hatten, obwohl sie nicht in Präsenz waren. Und das ist jetzt für mich eine Alternative, sodass ich vielleicht kombiniere, also dass ich Präsenzunterricht mache und trotzdem diese Online-Komponente behalte.”
Was hat dir geholfen, in den Online-Unterricht einzusteigen?
Stephan: “Also was mir geholfen hat, war die Angst vor der technischen Hürde zu überwinden, mich dann irgendwie auf die Situation einzulassen und zu versuchen, damit umzugehen.
Und das funktioniert mal besser, mal schlechter. Dann probiert man mehrere Kameras aus und dann geht aber die eine nicht, weil sie sich nicht verbindet oder was auch immer. Gibt ja da tausend Sachen. Ich glaube, wenn man diesen perfektionistischen Gedanken so ein bisschen zur Seite schiebt, kann man da unglaublich viele Vorteile entdecken.”
Für wen, glaubst du, ist Online-Musikunterricht geeignet?
Stephan: “Ich glaube, dass es für jeden geeignet ist, Onlineunterricht zu machen, wenn man sich darauf einstellt und ein bisschen der Rolle des Lehrers bewusst ist in der jeweiligen Situation.
Ich muss da ganz konkret an ein Beispiel denken, weil ich meiner Nichte Schlagzeugunterricht gegeben habe. Die Musikschule, an der sie Unterricht hatte, hat keinen Online-Unterricht angeboten. Da war quasi von einem Tag auf den anderen einfach Schluss mit Unterricht. Und der Grund, der angeführt wurde, war in erster Linie technische Schwierigkeiten und so ein bisschen „Kinder unterrichten ist schwierig online“.
Und da hat mich der Ehrgeiz gepackt. Und ich wollte das Gegenteil beweisen. Außerdem wollte ich meiner Nichte eine Freude machen und mit ihr den Unterricht gestalten.
Was ich machen musste und aber auch sehr gerne gemacht habe: Ich bin zu Ihnen nach Hause gefahren und habe ihr ein Mikrofon hingestellt und einen Laptop und eine Soundkarte, was den Unterricht dann eben vereinfacht hat. Also ich habe ein bisschen die technische Voraussetzung hergestellt, aber das war jetzt kein Hexenwerk.
Wir reden jetzt nicht von einer Studiosituation, sondern so, dass sie eben ein Mikrofon hat, in das sie sprechen konnte und Kopfhörer, über die ich mit ihr sprechen konnte. Und das hat super funktioniert.”
Wie siehst du die Equipment-Frage? Müssen Lehrer:innen und Schüler:innen erstmal investieren?
Stephan: “Ich sehe den Schüler da gar nicht so sehr in der Pflicht, sich tierisch Equipment anzuschaffen. Es sei denn, er ist jetzt schon älter und hat große Ambitionen. Eigentlich funktioniert es mit einem Telefon, was nicht ganz krass verzerrten Sound rüberbringt und dann funktioniert das eigentlich.
Und von Lehrerseite darf man sich schon ein bisschen damit auseinandersetzen, mit der technischen Seite. Ich hatte damals im Online-Unterricht dann überlegt, wie ich mit Latenzen umgehen kann, weil man ja nicht zusammenspielen kann. Wie kann ich das technisch lösen?
Und habe mich da sehr gefreut im Austausch mit doozzoo und mit Thomas, dass es dann diesen Button [Abspielseite] jetzt gibt, wo man diese Perspektive hin und her wechseln kann, was ein geniales Feature ist bei doozzoo. Denn man kann eben mit Metronom oder Playalongs arbeiten und den Schüler dazu [synchron] spielen lassen.
Kannst du Online-Musikunterricht empfehlen? Was kannst du deinen Kolleg:innen noch mitgeben?
Stephan: “Ja, also ich würde [Online-Musikunterricht] empfehlen, weil ich glaube, dass die Zeit noch nicht vorbei ist oder vielleicht sogar eben diese Hybrid-Unterrichtsformen sich noch mehr durchsetzen.
Und meine Empfehlung ist, wenn man Angst hat davor das zu benutzen – und ich kann das total nachvollziehen, weil man geht ja aus der Komfortzone raus, man ändert möglicherweise den Unterricht, den man 30 Jahre lang schon ganz anders gemacht hat, – dann würde ich Kollegen ansprechen und um Hilfe bitten oder sich austauschen, also gar nicht so im Sinne von „Hilf mir!“, sondern wirklich sich austauschen.”