von José J. Cortijo
Eines der Hauptziele beim Musikunterricht sollte meiner Meinung nach sein, Schüler:innen so bald wie möglich das Spielen zu bestehender Musik beizubringen. Um mit einer Band oder im Ensemble spielen zu können, müssen sie zunächst ein gewisses theoretisches sowie technisches Niveau am Instrument erreichen. Aber wie arbeitet man sinnvoll mit Playalongs im Musikunterricht?
Mit dem Einsatz von Playalongs im Unterricht kann schon ein Anfänger das Spielen zu Musik lernen. Ähnlich wie in einer Band kann man auch hier Passagen in angepasster Geschwindigkeit spielen oder schwierige Stellen nahtlos wiederholen.
Ein Loop ist auch Musik
Eine wichtige Sache vorab: Mit dem „Spielen zu Playalongs“ sind nicht immer nur komplette Songs oder Werke gemeint, sondern auch Fragmente oder Loops daraus. Playalongs können in dieser Form sozusagen als ein „musikalisches Metronom“ betrachtet und eingesetzt werden.
Das Spielen zu Playalongs ist außerdem eine sehr wichtige und hilfreiche Methode, außerhalb von Band- oder Orchesterarbeit sein Instrument im musikalischen Zusammenhang mit anderen Instrumenten in Ruhe und ohne äußeren Druck zu analysieren und zu erlernen.
Meiner Meinung nach sollte jede Musikunterrichtsstunde eine Einheit enthalten, in der „Musik gemacht“ wird, unabhängig davon, ob es in der Stunde „nur“ um Technik, Haltung, Theorie oder sonstige Themen ging. Mit Playalongs ist das schnell gemacht.
Muss Technik „trockenes Zeug“ sein?
Jede noch so ungeliebte Übung kann den Schüler:innen mehr Spaß machen und sie mehr motivieren, wenn sie anstelle zum Metronom zur Musik gespielt und erarbeitet wird.
Das Spielen zu Playalongs lässt sich bei verschiedenen Übe-Themen anwenden. „Trockene“, technische Übungen, wie zum Beispiel Rudiments am Schlagzeug oder Skalen, bekommen dadurch einen ganz anderen Charakter. Gleichzeitig kann bei dieser Übeweise auch der Bezug der Übung zur Musik erforscht und bewusst gemacht werden.
Vor allem für Begleitinstrumente wie Schlagzeug oder Percussion sind Playalongs unerlässlich. Neben dem Timing muss auch die Anwendung sowie Interpretation der gelernte Rhythmen im musikalischen Kontext des Songs oder Rhythmus aufgearbeitet werden. Damit werden die Schüler:innen auch für spätere Bandprobearbeit vorbereitet.
Jeder drückt mal auf den Recording-Knopf
Ein weiterer Aspekt, der beim Üben mit Playalongs erarbeitet werden kann, ist die Simulation von Recording Situationen. Hier muss nicht nur zu vorher aufgenommen Songs gespielt werden. Gleichzeitig hört man sein Instrument auch über die verwendeten Mikrofone im Kopfhörer. Das ist eine hochkomplexe und neue Situation für jeden, der ein Instrument spielt. Das eigene Instrument klingt plötzlich anders als gewohnt. Gleichzeitig sieht man seine Bandkollegen nicht und muss sich voll und ganz auf sein Ohr verlassen.
Diese Situation findet im Prinzip schon beim Online Unterricht über doozzoo statt, wenn die Schüler:innen mit Kopfhörer synchron zum Audio-Player spielen. Außerdem können sie sich jederzeit selbst beim Spielen aufnehmen.
Meine eigene Arbeitsweise
In Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad gehe ich methodisch etwas anders vor. Bevor wir z.B. anfangen einen neuen Rhythmus oder ein Solo zu einem Halbplayback zu spielen, gehe ich folgende Schritte durch:
Das neue Feeling erlernen
Bei Latin Percussion z.B. geht es als Erstes darum, den Studierenden mit dem neuen Rhythmus bekannt zu machen. Dafür spiele ich den Rhythmus einige Male vor. Danach frage ich ab, ob er oder sie den Rhythmus schon einmal gehört hat. Sind Name und Ursprung bekannt? Aus welchem Land kommt der Rhythmus? In welcher Musik wird er eingesetzt? Oft zeige ich dem Studierenden auch Videos, in denen der Rhythmus zu sehen und zu hören ist. Dadurch bekommen die Schüler:innen ein Gefühl für den Klang und die entsprechenden Bewegungen.
Langsam den Rhythmus aufbauen
Als Nächstes beginne ich den Rhythmus langsam aufzubauen. Dabei verwende ich noch keine Noten. Erst wird ein halber Takt des Rhythmus mehrmals zusammen (nur in Präsenz möglich) bzw. nacheinander (online und in Präsenz möglich) gespielt und wiederholt. Wenn alles locker und fehlerfrei gespielt wird, kommt der Rest des Taktes dazu. Percussion-Rhythmen bestehen oft aus zweitaktigen Phrasen. Hier wird auf die gleiche Weise der zweite Takt aufgebaut und geübt, bis der Rhythmus komplett ist. Klappt das sicher, lasse ich den Studierenden allein zum Metronom spielen, um das Timing richtig kontrollieren zu können.
Noten aufschreiben
Erst jetzt zeige ich ihm oder ihr die zugehörigen Noten sowie weitere Variationen. Da die Studierenden den Rhythmus schon „im Ohr“ haben, wird durch das Lesen das Verständnis für den Rhythmus weiter vertieft. Ich lasse die Studierenden den Rhythmus bis zum Ziel-Tempo mehrmals mit dem Metronom wiederholen. Im Präsenz-Unterricht begleite ich die Studierenden nun mit einem zum Rhythmus komplementären Instrument. Auch die weiteren Variationen können so leichter verstanden und schneller umgesetzt werden.
Mit Playalongs spielen
Erst jetzt wird zu Playalongs gespielt. Durch den Einfluss weiterer Melodien sowie Polyrhythmik passieren während der ersten Versuche immer wieder Interpretationsfehler, die eventuell vorher nicht passiert sind. Aus diesem Grund stelle ich im Audio-Player immer erst ein etwas langsameres Tempo ein. Dies ermöglicht, dass musikalische Zusammenhänge und eventuell andere vorhandene Percussion-Instrumente leichter wahrgenommen und verstanden werden können.
Schwierige Passagen oder Fills können mit dem Audio-Player auf doozzoo in verschiedene Tempi gebracht und mit der Loop Funktion in Schleife wiederholt werden.
Noten weglassen
Wenn ich sehe, dass die Studierenden sehr auf die Noten fixiert sind, blende ich sie aus bzw. nehme ich sie ihnen weg. So werden Gehör und Konzentration besonders gefordert und trainiert. Auf diese Weise kann der Studierende das richtige Gefühl für die Musik und den Rhythmus entwickeln und in seine Interpretation legen.
Playalongs kaufen oder selbst machen?
Aber wo bekommt man denn gute Playalongs her? Für einige Instrumente gibt es eine große Auswahl an Büchern, in denen Playalongs mitgeliefert werden. Für andere Instrumente ist die Auswahl eher begrenzt. Es gibt aber ein paar Möglichkeiten, um mit überschaubarem Aufwand selbst Playalongs oder Loops für den eigenen Unterricht herzustellen.
Tipp 1 – MIDI-Files bw. Mp3 Playbacks
Im Internet finden sich zahlreiche kostenlose und kostenpflichtige Angebote für MIDI oder mp3 Playbacks. Jedes Genre wird bedient, sei es Klassik, Jazz oder Pop. Meistens gibt es die Möglichkeit, sich mindestens einen Ausschnitt des Audiofiles anzuhören bevor man den Kauf abschließt. Das sollte man nutzen, denn die Qualitätsunterschiede sind sehr groß!
Der MIDI-File Markt ist auch deshalb so groß, weil fast alle „Alleinunterhalter“ diese Files für ihre Veranstaltungen nutzen. Auch der Karaoke-Sektor nutzt MIDI-Files.
Außerdem lassen sie sich von fast jedem Musikprogramm (FINALE, Sibelius, Logic) öffnen und weiterverarbeiten.
Playalongs für Schlagzeug erstellen
Ich möchte dir als Nächstes eine Möglichkeit zeigen, wie du ein Playalong für Schlagzeug erstellen kannst. Diese Methode ist aber auch auf alle anderen Instrumente übertragbar:
- Den Song als MIDI-File runterladen. Jetzt ist aber das Schlagzeug noch vorhanden.
- Öffne das MIDI-File nun mit einem Notationsprogramm, z.B. Finale. In der Notenpartitur finden wir nun auch die Schlagzeugnoten.
- Lösche nun die Schlagzeugnoten aus dem Notensystem, nicht aber das Notensystem selbst!
- Wenn kein Einzähler vorhanden ist, kannst du am Anfang der Partitur ein oder zwei Takte einfügen. Als Sound eignet sich eine Cowbell oder ein Rim Click. Der Einzähler wird in das leere Notensystem notiert.
- Exportiere nun alles über die Exportfunktion des Notationsprogramms. Verwende als Format mp3.
- Lade nun das fertige Playalong in deine doozzoo Medienbibliothek und lasse deine Schüler:innen dazu spielen.
Die meisten MIDI-Files klingen von Haus aus eher mechanisch und künstlich. Aber das kannst du mit wenigen Handgriffen anpassen, eben weil das Dateiformat in den gängigen Programmen bearbeitet werden kann.
Hier ein paar Tipps zur Individualisierung von MIDI-Files:
- Tausche die Sounds aus und nutze deine eigenen
- Ändere das Arrangement
- Transponiere Instrumenten in eine andere Lage
- Erstelle eine durchgängige Klick-Spur
- Setze Effekte ein (z.B. Reverb, Kompressor, Equalizer, usw.)
- Passe die Lautstärke der einzelnen Instrumente an
- Verteile die Instrumente mittels Panorama im Stereobild
- Schalte einzelne Instrumente stumm
Tipp 2 – Vorhandene Loops nutzen
Viele Live-Musiker:innen nutzen Audio Programme wie Logic, Ableton Live & Co. Im Lieferumfang dieser findet man meistens auch eine Bibliothek mit fertigen Loops. Diese können und dürfen sogar bearbeitet und verwendet werden. Nutze auch diese Loops, um Solo-Figuren zu erarbeiten oder technische Übungen mit deinen Schüler:innen zu wiederholen.
Fazit
Zusammengefasst ist das Spielen zu Playalongs ein wichtiger Bestandteil meines Unterrichts. Es schult Fähigkeiten, die Schüler:innen sonst nur mit Band oder in einer Recording Situation erlernen können. Gleichzeitig bereitet es sie optimal auf beides vor. Sie lernen nicht nur, sich selbst beim Spielen zuzuhören, sondern sich auch klanglich in einer (virtuellen) Band einzubetten. Ich persönliche empfehle jedem Dozenten diese Möglichkeit zu nutzen, vor allem weil man sie so kreativ im Unterricht einsetzen kann.
Über den Autor
Als einziger Professor für Latin Percussion in Deutschland unterrichtet José J. Cortijo an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim und ist ein gefragter Dozent bei zahlreichen Workshops im In- und Ausland.
Außerdem ist er Autor verschiedener Publikationen und einer Workshop-Reihe in der Fachzeitschrift Drums & Percussion, künstlerischer Leiter der World Percussion Academy und der Cajon Academy.
Neben Auftritten mit eigenen Projekten nimmt José J. Cortijo auch an vielen Tourneen namhafter Künstler aus dem In- und Ausland teil. Das Spektrum reicht von Latin, Funk, Pop, Rock bis hin zu Big Bands und Musicals.