doozzoo blog logo
Blogbeitragsbild Matej Dzido

Üben vs. Spielen | 3 Tipps für eine erfolgreiche Übe-Routine

Liebe doozzoo Blog Leser:innen,

es freut mich sehr, in diesem Artikel meine Gedanken über das Klavier-üben mit euch teilen zu dürfen, ein Thema, das sowohl Schüler:innen als auch Lehrer:innen täglich beschäftigt. Ich selbst musste den Prozess des gezielten Übens am Klavier mühsam erlernen. Aus Sicht der Lehrkräfte liegt die Kunst darin, die Schüler:innen nicht nur zum Spielen, sondern zum bewussten Üben anzuleiten. Und für die Schüler:innen? Sie stehen vor der Herausforderung, diese Methoden zu Hause eigenständig umzusetzen. Beide Perspektiven sind entscheidend für stetige Fortschritte am Instrument.

In diesem Artikel möchte ich drei Punkte etwas ausführlicher beleuchten: 

  1. Warum scheitern so viele beim Üben? 
  2. Was macht eine gute Übe-Session aus? 
  3. Meine 3 ultimativen Übe-Tipps am Klavier

Die Herausforderungen des Übens

“Also bei mir daheim, da ging das alles viel besser. Da hatte ich keine Fehler“…“, solche und weitere Sätze hast Du bestimmt zur Genüge gehört. Im Laufe des Unterrichts jedoch klappt das dann alles wunderbar, wenn die Schüler:innen von ihren Lehrenden angeführt werden. Mir ließ das keine Ruhe!

Gleichzeitig erschien kurz vor Ostern ein spannender Artikel in der BR-Klassik Fachzeitschrift zu diesem Thema: wusstest Du, dass es 30.000 richtige Wiederholungen benötigt, um eine falsch einstudierte Passage auch im Konzert einwandfrei zu spielen?

Prof. Eckart Altenmüller, Professor für Musikphysiologie und Musikmedizin, geht sogar noch einen Schritt weiter in seinen Untersuchungen und behauptet, man brauche mehrere Monate, um eine falsche Passage zu korrigieren. Das war mir selbst nach 24 Jahren lernen, musizieren und lehren nicht wirklich bewusst, hatte jedoch meine Sinne für das Thema Üben sensibilisiert. 

“Warum scheitern so viele beim Üben?”, “Warum haben gerade Kinder regelrecht eine Aversion an das Üben?”, waren Fragen, um welche sich meine Gedanken drehten. Und was unterscheidet erfolgreiche Klavierspieler:innen von weniger erfolgreichen?

Die richtige Fragestellung: 

Die richtige Fragestellung beginnt schon in unserem Umfeld und in unserer alltäglichen Wortwahl: “Hast Du heute schon Klavier gespielt?”, ist eine vielleicht bekannte Aussage seitens der Eltern, wenn sie die Kinder an das Üben erinnern wollen. Psychologisch betrachtet klingt natürlich “spielen” motivierender als “üben”, jedoch bleibt es dann meistens beim “Spielen”. Entweder wird die Lieblingspassage 2, 3 Mal wiederholt und dann die “Übe-Session” beendet, bevor sie angefangen hat. Die Schüler:innen spielen krampfhaft das Stück von Anfang bis Ende, es schleichen sich Fehler ein, bewusst oder unbewusst, sie sind leicht deprimiert und hören auf. 

Das Problem hinter der Frage “Hast du heute schon Klavier gespielt?” ist, dass es kein konkretes Ziel definiert. Die bessere Fragestellung wäre “Was hast du heute gespielt?”, besser noch “Was hast du heute geübt?”. Aus der Sicht der Schüler:innen sollte die Frage lauten “Was möchte ich heute nach dem Üben besser können als vor dem Üben?”. Das ist für mich die zentrale und wichtigste Fragen überhaupt, die sich Musiker:in und Schüler:in vor jeder Übe-Einheit stellen sollten. 

An meinen eigenen Schüler:innen habe ich erfahren können, dass sie nach schriftlicher Beantwortung dieser zentralen Frage wesentlich fokussierter üben und dauerhaft Freude und Fortschritt am Üben entwickeln konnten. Ein weiterer Gedanke hinter diesem Zugang ist die Frage des Transformationsprozesses, wofür das Üben ja steht. Der Transformationsprozess ist der Veränderungsprozess vom IST-Zustand hin zum WUNSCH-Zustand, wo der Fortschritt beim Klavierspiel stattfindet.

Mangel an Übe-Methoden:

Dieser bereits erwähnte Veränderungsprozess scheitert, wenn es den Schüler:innen an Übe-Methoden mangelt, um bestimmte Arten von Herausforderung eigenständig zu meistern: Wie übe ich eine Stelle, wenn die Herausforderung darin besteht, die Koordination der linken und rechte Hand zu verbessern? Wie übe ich eine Stelle, wenn sie rhythmische Herausforderungen mit sich bringt? Wie übe ich schnelle Läufe mit komplexeren Abläufen oder gar Sprüngen?

Das muss ich als Lehrender meine Schüler:innen aktiv im Unterricht fragen und dabei aktiv Veränderungsprozesse begleiten und dokumentieren, damit die Schüler:innen diese Veränderungsprozesse daheim nachvollziehen und durch mehrfaches Wiederholen festigen können. “Das braucht noch bisschen Zeit”, oder “wiederhole das noch paar Mal, dann wird das schon”, ohne erprobte Strategien und Schritt-für-Schritt Anleitungen im Hintergrund wird das garantiert nicht klappen. Der Schüler wird deprimiert die Finger davon lassen, weil der Fortschritt und Erfolg ausbleiben. 

Daraus resultiert die zweite große Frage meines Artikels: was macht eine gute Übe-Session aus? 

  1. ein konkretes Ziel: was möchte ich nach dem Üben besser können als vor dem Üben?
  2. ein bunter, abwechslungsreicher Methoden-Koffer, um jegliche Arten von Herausforderung spielerisch zu bestreiten
  3. ein Audio-Aufnahmegerät, welches Deine Übe-Einheit aufnimmt, damit Du die Einheit reflektieren kannst. Dafür reicht oft auch die Memo-Funktion des eigenen Smartphones.

Abschließend möchte ich dir 3 meiner ultimativen Übe-Tipps mitgeben, die meinen Schüler:innen in der Vergangenheit erfolgreich geholfen haben. Ich lade Dich herzlich dazu ein, sie einfach mal an deine Schüler:innen weiterzugeben bzw. im Unterricht selbst auszuprobieren.

Übung 1: Koordination von linker und rechter Hand

Ziel: Verbesserung der Koordination von linker und rechter Hand.

Mal angenommen, der Schüler oder die Schülerin steht vor der Herausforderung, das Zusammenspiel deiner linken und rechten Hand noch sicherer zu spielen und der entsprechenden Passage mehr Spielfluss zu verleihen:

Die Schüler:innen spielen folgende 3 Durchläufe. 

1. Durchlauf: Lasse sie langsam die rechte Hand aktiv am Klavier spielen, die linke Hand klopfen sie gleichzeitig am linken Oberschenkel. Dazu sprechen sie laut mit, zum Beispiel: “Gemeinsam, gemeinsam, links, gemeinsam rechts …” 

2. Durchlauf: dreht den Spieß einmal um. Spielt die linke Hand aktiv an den Klaviertasten und klopft die rechte Hand am rechten Oberschenkel mit. Sprecht laut dazu.

3. Durchlauf:  beide Hände langsam, gleichzeitig am Klavier spielen. Bei besonders herausfordernden Passagen wiederholen die Schüler:innen den 1. und den 2. Durchlauf je drei bis 5 Mal langsam. 

Übung 2: Rhythmische Figuren üben

Ziel: Eine rhythmische Figur vermitteln

Fordere Deine Schüler:innen auf, einmal tief durchzuatmen. Bitte sie, beiden Hände vom Klavier wegzulegen.

  1. Durchlauf: Gemeinsam Rhythmus lauf vorspreche und klatschen.
  2. Durchgang: der Lehrer oder die Lehrerin klatscht den Rhythmus vor.
  3. Durchgang: der/die Schüler:in klatscht den Rhythmus. 

Die Schüler:innen sollten zusätzliche Rhythmus-Übungen 5 bis 10 Minuten in ihre tägliche Übe-Routine zu den Klavierstücken einbauen. Hierfür empfehle ich Euch das Buch Flip A Rhythm. Band 1 – 4 von Nelson Sheila, verlegt bei Schott Music. Tolles Buch, das ich dir von Herzen empfehlen kann! Das Invest lohnt sich dank zahlreichen Rhythmus-Übungen in den verschiedensten Kombinationen. Die Schüler:innen werden zukünftige, rhythmische Bausteine spielerisch erkennen und sich mit Freude aufs Musizieren fokussieren können.

Link zum Buch: https://www.schott-music.com/de/flip-a-rhythm-no13520.html 

Übung 3: Läufe üben

Ziel: Die Schüler:innen möchten, dass ihre Läufe noch geschmeidiger und flinker klingen 

Unterteilt den Lauf in 4er-Gruppen: Viertelnote + Achtel-Triole. Die Viertelnote sprechen sie “LANG”, die Achtel-Triole “A-NA-NAS”. Lass sie 2 Durchläufe spielen. 

1. Durchlauf: unterteilt sich die 4er-Gruppe in eine Viertelnote mit anschließender Achtel-Triole. Die Schüler:innen sprechen dazu laut mit: “LANG (=Viertelnote). A-NA-NAS (=Achtel-Triole)”. 

2. Durchlauf: Rhythmus umdrehen; eine Achtel-Triole endet in einer Viertel-Note.
Erinnere die Schüler:innen daran, immer laut mitzusprechen: “A-NA-NAS. LANG”. 

Dabei sollte die Ananas besonders flink und knackig gespielt werden, während sie auf LANG ihre Muskulatur, besonders das Handgelenk, entspannen. Zielt ist es, die Ananas aus einer Handgelenksbewegung heraus zu spielen. 

Fazit

Ich liebe es die Schüler:innen dabei zu ermutigen, direkt mit dem Klavierüben zu beginnen. Es liegt eine Reise voller Kreativität vor ihnen. Helfen wir ihnen gemeinsam, ihre Fähigkeiten zu verbessern, um mehr Freude zu spüren, die entsteht, wenn ihre Finger bewusst über die Tasten gleiten. 

Musikalische Grüße aus der Mozartstadt Salzburg,

Matej Dzido

Konzertpianist, Klavierlehrer und Gründer der Pianofly Klavierschule 

Über den Autor

Matej Dzido Pianofly

Matej Dzido absolvierte sein Instrumental- und Gesangspädagogik Studium an der Universität Mozarteum Salzburg mit einstimmiger Auszeichnung im Fach Klavier bei Prof. Dr. Stan Ford. Seit 2015 ist er freiberuflicher Produktspezialist und Vorführer diverser Yamaha Tasteninstrumente. Aktuell tourt Matej mit seinem neuesten Konzertprojekt „Beethoven in Havanna“ im In- und Ausland, gibt Workshops und Meisterkurse und ist seit 2021 Gründer der Pianofly Online Academy. Seine Schüler:innen haben bereits mehrfache 1. Preise beim renommierten Jugendwettbewerb Prima La Musica erreicht. Sein Schüler Henrik R., 14 Jahre, wurde letztes Jahr in das Pre-College Jungstudium im Fach Klavier an der Universität Mozarteum Salzburg aufgenommen.

Das könnte dir auch gefallen

Weitere Beiträge